Massentourismus in den Bergen: Ursachen, Folgen und ein Aufruf zu weniger Egoismus

Einen wahren Hype haben in den vergangenen Jahren die Berge ausgelöst, sodass sich manch ein Ort kaum noch vor dem Ansturm von Urlaubern und Bergsportlern retten kann. Ein Phänomen, das sich Übertourismus nennt. In diesem Beitrag beschäftige ich mich näher mit den Ursachen. Außerdem verrate ich dir, welche Probleme mit dem Massentourismus einhergehen und versuche mich an ein paar Lösungsansätzen für mehr Nachhaltigkeit in den Bergen. 

Steht das Buch “1000 Places to See Before You Die” in deinem Bücherregal? Ziehst du bei Roadtrips mit deinem Van, Bergtouren und sonstigen Reisen an beeindruckende Orte zuerst das Smartphone aus der Hosentasche, bevor du den Moment in dich aufsaugst?

Bist du gerne dort, wo andere längst gewesen sind, nur um sagen zu können: “Dort war ich auch schon einmal”? Glückwunsch, du bist ein ganz normaler Mensch – ein echtes Herdentier.

Wir haben die Angewohnheit, spannende Erlebnisse und abenteuerliche Reisen nachzuahmen. Wir teilen unsere Eindrücke und Fotos, die lange zuvor mehrfach geteilt und erzählt wurden.

Orte werden zu wahren Pilgerstätten. Naturparadiese mutieren zu lukrativen Erlebnisparks. Die Umwelt verliert an Halt. Tiere flüchten aus ihrem gewöhnlichen Lebensraum. Und die nach oben gewölbten Mundwinkel der Einheimischen ziehen sich vermehrt nach unten da sie von all dem genervt sind.

Was ist Übertourismus eigentlich?

Das Reisen, kurze Auszeiten vom stressigen Alltag und das Entdecken beeindruckender Orte liegen in unserer Natur. Der Egoismus, nicht nachhaltig zu denken, leider auch. Daher können viele wunderschöne Orte in dieser Welt dem Ansturm von Touristen, Erholungssuchenden und Sportlern nicht mehr Stand halten. Die Folge: Übertourismus.

Ein Begriff, der aus dem Englischen “Overtourism” stammt, hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Overtourism beziehungsweise Übertourismus tritt ein, sobald sich zu viele Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt am gleichen Ort versammeln. Das Überrennen eines Ortes trifft es hier als Definition ebenso gut wie die Verwendung von Übertourismus als Superlativ von Tourismus.

Ich gebe zu, dass ich auf meinen Reisen viele dieser überrannten Orte angesteuert habe. Zum Beispiel musste ich, nachdem ich den Film “The Beach” mit Leonardo di Caprio geschaut habe, unbedingt Maya Bay in Thailand besuchen.

Einige Jahre später trank ich einen überteuerten Cocktail in der “Hangover”-Sky Bar in Bangkok. Auch Tanah Lot auf Bali wollte ich mir ebenso wenig entgehen lassen, wie den Stadtbummel durch die Altstadt von Dubrovnik. Bezaubernde Orte, die chronisch überfüllt sind und somit an Glanz verlieren.

Beispiele für Übertourismus in den Bergen

Schon lange hat der Massentourismus die Berge, vor allem die Alpen, erreicht. Der Ruf nach Freiheit ist groß, weshalb mir bei einer Besteigung der Zugspitze vor knapp sechs Jahren ein kalter Schauer über den Rücken lief, als ich verschwitzt am Münchner Haus ankam und ich vor dem Gipfelkreuz eine lange Menschenschlange erspähte.

Doku-Tipp: Schau dir passend hierzu die WDR-Doku Ansturm auf die Alpen – Massentourismus am Berg an. Hier erfährst du, welche Auswirkungen die bis zu 7.000 Touristen pro Tag auf den höchsten Berg Deutschlands haben.

Ebenfalls schloss ich mich einer eintägigen Skitour ins 500 Kilometer entfernte Samnaun an. Hier trafen sich hunderte Skibegeisterte für ein paar Stunden zum Skifahren. Das Kuriose: Am gleichen Tag ging es wieder zurück nach Hause – 1.000 Kilometer im Bus für sechs Stunden auf der Piste.

Ach ja, am Influencer-Hotspot Pragser Wildsee war ich selbstverständlich auch schon. Natürlich habe ich das gleiche Foto wie jeder andere geschossen.

Vor allem in den Bergen ist der Übertourismus zu einem großen Problem geworden, selbst in eigentlich entlegenen Regionen unseres Planeten. Weltweit prominente Beispiele für Übertourismus sind

  • Macchu Pichu in Peru,
  • Kilimandscharo in Tansania,
  • Preikestolen in Norwegen,
  • Drei Zinnen in den Dolomiten,
  • Banff und Lake Louise in Kanada,
  • Matterhorn in der Schweiz,
  • Mount Everest im Himalaya.

Von letztgenanntem kennst du sicherlich die Bilder mit den langen Warteschlangen kurz vor dem Gipfel. Dass das Warten in der sogenannten “Todeszone” lebensgefährlich ist, scheint viele nicht zu stören. Passend hierzu empfehle ich dir das Buch In eisigen Höhen von Jon Krakauer (bei Globetrotter bestellen).

Der Macchu Pichu war einst eines meiner Traumziele. Die Besonderheit ging aufgrund des Überrennens jedoch etwas verloren – zu viele Menschen zur gleichen Zeit an einem Ort. Dass ich als Weltenbummler und Outdoorblogger eine gewisse Mitschuld an solchen Entwicklungen habe, ist mir bewusst.

Vielleicht ist es mir deshalb wichtig, diesen Beitrag über Übertourismus in den Bergen zu schreiben, um Aufklärung zu unserem nicht sehr nachhaltigen Reiseverhalten zu betreiben. Vielleicht möchte ich auch einfach nur mein schlechtes Gewissen beruhigen.

Fest steht, dass auch ich mich intensiver mit den Ursachen und Folgen des Massentourismus befassen muss.

Das sind die Ursachen des Massentourismus

Für den Übertourismus in den Bergen und natürlich auch im Allgemeinen gibt es eine ganze Reihe von Ursachen. Fünf davon stelle ich dir im Folgenden etwas genauer vor.

uebertourismus-in-den-alpen
Hauptgrund für den Andrang in den Alpen: Sie sind einfach traumhaft schön, so wie hier auf dem Lechtaler Höhenweg

1. Internet – Social Media, Blogs & Co.

Das Internet macht Lust auf abenteuerliche Reisen und sorgt durch ansprechende Texte und Bilder für eine gehörige Portion Sehnsucht nach bestimmten Orten. Dass die Inhalte nicht immer der Wahrheit entsprechen und Reisefotos mit einem Filter zur Verschönerung des Bildes bearbeitet sind, spielt dabei kaum eine Rolle.

Falsche Tatsachen steigern die Lust, sodass ein kleiner Ausschnitt des Pragser Wildsees in Südtirol ein Gefühl von Freiheit und Ruhe vermittelt. Dass im Hintergrund eine große Hotelanlage steht und sich viele Autofahrer um einen der letzten Parkplätze streiten, ist dabei irrelevant.

Beim Veröffentlichen von Inhalten im Internet geht es meist um die Anzahl der Likes und Klicks. Selbstinszenierung und beeindruckende Fotos stehen im Vordergrund.

Werden Orte im Netz mit Beschreibungen wie paradiesisch und traumhaft unterlegt, entstehen Sehnsuchtsorte. Beim Konsumenten nistet sich der “Dort muss ich unbedingt hin”-Gedanke ein, sodass sich abermals unentdeckte Orte schnell von einem Geheimtipp zu überlaufenen Zielen entwickeln.

2. Sport-Hype in den Bergen

Höher, schneller, weiter – Outdoorsport ist beliebter denn je und bringt regelmäßig neue Abwandlungen etablierter Sportarten zum Vorschein. Anstatt Skipisten nur noch hinunterzufahren, werden bei Skitouren Berge auf Ski erklommen, Mountainbiker lassen sich mit der Gondel auf den Gipfel fahren, um anschließend waghalsig ins Tal zu sausen und die Laufrunden auf der Tartanbahn abzuspulen reicht nicht mehr aus: Trailrunning in den Bergen ist der neueste Hit.

Bergsport boomt, was für einen zunehmenden Tourismus sorgt. Mit neuen Trails, einer steigenden Anzahl an teils kuriosen Sportevents und einem Überangebot an sportlichen Aktivitäten werden Sportler in die Berge gelockt.

Der Drang raus zu gehen und neue sportliche Höchstleistungen zu erreichen, ist einfach zu groß. Was eine Wohltat für den eigenen Körper ist, hat für die Natur, die dem Überangebot trotzen muss, nur wenig positive Aspekte.

3. Tourismus außer Rand und Band

Durch das große Angebot an Unterkünften, das schnelle Buchen im Internet sowie die vielen Möglichkeiten von A nach B zu kommen, ist das Reisen sehr einfach geworden. Nicht nur das, es hat sich ein Überangebot an Airlines, die kleine Flughäfen anfliegen, entwickelt.

Für einen Norddeutschen ist es daher kein großer zeitlicher und finanzieller Aufwand, ein paar Tage Urlaub in den Alpen zu machen. Salzburg, Innsbruck, Zürich und Genf sind schnell erreicht.

Russen, Araber und Chinesen machen es sich zudem regelmäßig in Ischgl, Zell am See oder Hallstatt gemütlich. Die tausende von Kilometern lange Anreise ist zu einem bezahlbaren Luxus geworden.

Laut statista gab es im Jahr 2019 mehr als 1,46 Milliarden grenzüberschreitende Reiseankünfte weltweit. Knapp fünfzig Jahre zuvor belief sich die Zahl lediglich auf 25 Millionen.

Eine Entwicklung, über die sich die Tourismusbranche gewiss nicht beklagen wird. Für einige Hotspots ist dieses Wachstum jedoch eine Zumutung, insbesondere in Verbindung mit dem steigenden Angebot an privaten und gewerblichen Unterkünften sowie Billig-Airlines.

4. Verherrlichung und Auszeichnung einzelner Orte

Für viele Destinationen gleicht es einem Ritterschlag, eine Auszeichnung, wie zum Beispiel das UNESCO Welterbe, zu erhalten oder gar Drehort für einen bekannten Blockbuster zu sein. Das sorgt nicht nur für mehr Bekanntheit, sondern spült auch Geld in die Kasse der jeweiligen Region.

Die Dolomiten in Südtirol, der Geirangerfjord in Norwegen oder Hallstadt in Österreich sind drei Beispiele, die als Welterbe bestimmt wurden. Für den Tourismus ein Segen, für die Einheimischen aufgrund des Übertourismus oftmals ein Fluch.

Weitaus brisanter verhält es sich mit bekannten Filmschauplätzen. James Bond war beispielsweise bei Spectre in Sölden zu Gast, was sich unter anderem mit dem surreal wirkenden Restaurant am Gaislachkogel recht gut vermarkten lässt.

Was aber denken Einheimische darüber? Und: Freuen sich die Anwohner des kroatischen Krka- und Paklenica-Nationalparks über Winnetou-Fans? Oder empfangen die Einwohner auf dem Mieminger Plateau die Anhänger vom Bergdoktor stets mit offenen Armen?

5. Corona und der (neue) Ruf nach Freiheit

Auch die Corona-Pandemie trug ihren Teil zum Massentourismus in den Bergen bei. So schien es uns Deutschen weitaus wichtiger gewesen zu sein, nicht auf (Kurz-) Urlaube verzichten zu müssen als brav eine Pandemie auszusitzen.

Muss der Ruf nach Freiheit dadurch befriedigt werden, ins Auto zu steigen und Hunderte von Kilometern zu fahren, um einen ganz bestimmten Ort zu erreichen?

Durch diverse Reisebeschränkungen und ausgefallene Fernreisen gewannen innerdeutsche Reiseziele an Bedeutung. Am meisten betroffen waren während der Pandemie die Strände der Nordsee und Ostsee sowie die Mittel- und Hochgebirge.

In der Rhön war der Andrang während der Pandemie so groß, dass Parkplätze am Kreuzberg, dem Roten Moor oder bei den Einkehrmöglichkeiten auf der Drei-Hütten-Tour restlos überfüllt waren. Beim Blick auf die Nummernschilder zeigte sich, dass zahlreiche Besucher aus dem Großraum Frankfurt, Kassel und Würzburg kamen, was bis dato eher unüblich war.

Welche Probleme bringt der Massentourismus in den Bergen mit sich?

Aus den oben genannten Ursachen für den Übertourismus hast du sicherlich das ein oder andere Problem ableiten können, das der Massentourismus nach sich zieht. So zumindest erging es mir, während ich fleißig Ideen für diesen Beitrag sammelte.

uebertourismus-klettersteig-nordkette
Macht das noch Spaß? Jede Menge los auf dem Klettersteig an der Nordkette bei Innsbruck

Heraus kamen vier gravierende Probleme, die das Überrennen der Berge zur Folge hat. Welche das sind, verrate ich dir in diesem Abschnitt:

1. Überforderung der Tourismusbranche

“It´s not about the places you go. It´s about the people you go with.”

Ich mag dieses Zitat. Es verdeutlicht, wie wichtig einzelne Begleiter beim Reisen sind und welche Bedeutung sie für die positive Wahrnehmung eines Ortes haben.

In Bezug auf den Übertourismus bekommt das Zitat eine völlig neue Bedeutung, denn es sind auch die Menschen, die die Magie eines Ortes verblassen lassen können. Zum Beispiel, wenn es wie beim Massentourismus zu viele sind. Der Ort kann dann noch so schön sein, die Wahrnehmung wird eine andere sein.

Gemeinden, Städte, Tourismusverbände und die Politik stehen daher in der Verantwortung, die Magie eines Ortes zu wahren. Wie aber gelingt dies und wer ist für die Umsetzung von Maßnahmen für eine Einschränkung des Übertourismus zuständig?

Oder wollen Destinationen eine Einschränkung erst gar nicht? Zum Beispiel, weil sie einer saisonalen Abhängigkeit ausgeliefert sind, deren Verluste sie in den weniger frequentierten Zeiten durch die touristischen Hochzeiten ausgleichen können?

Ein schmaler Grat, schließlich sind die Alpen und Mittelgebirge abhängig von Touristen und Tagesgästen. Bleiben diese aus, fehlen wichtige Umsätze und Arbeitsplätze gehen verloren.

Andererseits bleibt dadurch die Magie eines Ortes erhalten. Ein Beispiel hierfür sind die Sherpas in Nepal, die auf Touristen aus aller Welt angewiesen sind. Gibt es keine attraktiven Flugpreise und bleiben Touristen aus, fehlt den Sherpas mit den Einnahmen eine wichtige Lebensgrundlage.

2. Die Leiden der Umwelt und Natur

Beim Übertourismus in den Bergen wird die Natur schwer in Mitleidenschaft gezogen. Durch lange Anreisen, egal ob mit dem Auto, Flugzeug oder an manch einem Ort sogar mit dem Kreuzfahrtschiff, steigt der CO2-Ausstoß erheblich. Das hat wiederum Umweltschäden und eine steigende Erderwärmung zur Folge.

Die verheerenden Ausmaße wurden mir beispielsweise bei einer Hüttentour im Pitztal bewusst. Auf dem Gletscherlehrpfad vor dem Taschachhaus war ausgeschildert, wie stark der Taschachferner in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen war.

Die Tierwelt leidet ebenfalls stark unter dem steigenden Tourismus in den Bergen, da wir Menschen es uns erlauben immer mehr Platz für uns zu beanspruchen. Der Verlust und die Zerstörung des natürlichen Lebensraums der Tiere führt folglich zu einem Artensterben, das nur schwer wieder rückgängig gemacht werden kann. Gleiches trifft auf die Pflanzenwelt zu.

Viele Bergsportler neigen dazu, ihre Abenteuerlust durch Touren abseits ausgeschilderter Wege zu befriedigen. Dadurch werden Tiere vertrieben und die Natur belastet, nur um die eigene Lust auf eine spannende Skitour, einen einzigartigen Trailrun oder das Klettern an einem Felsen, fernab der Zivilisation, zu stillen.

3. Die Herausforderungen der Einheimischen

Nicht nur die heimische Tierwelt leidet am Massentourismus in den Bergen. Auch die Einwohner haben oftmals mit den Folgen zu kämpfen. Hier sind fünf Beispiele:

1. Verkehrsbehinderungen durch An- und Abreise, zahlreiche Staus und volle Parkplätze

2. Umweltbelastungen durch Feinstaub, welcher Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann

3. Verminderung der Lebensqualität durch steigenden Lärm, Müll und ein erhöhtes Verkehrsaufkommen

4. Überfüllte und kostenpflichtige Naherholungsgebiete sowie Freizeiteinrichtungen, die auf Touristen ausgelegt sind

5. Steigende Mieten, da Wohnungen in private Unterkünfte umfunktioniert werden, wodurch Vermieter höhere Einnahmen generieren, während das Angebot für Einheimische dagegen sinkt

Orte wie Walchensee, Garmisch-Partenkirchen oder Schönau am Königssee, sind nur drei Beispiele, die genau mit solchen Problemen zu kämpfen haben. Der Tourismus zieht zwar einen finanziellen Vorteil aus den Menschenansammlungen – aber ist es das Geld wert, wenn die Einheimischen, die Tier- und Pflanzenwelt sowie die Natur darunter in Mitleidenschaft gezogen werden?

4. Die Gefahren für dich als Reisenden

Übertourismus birgt nicht nur Gefahren für die Umwelt, die Tier- und Pflanzenwelt, die Landschaft, die Tourismusbranche und die Einheimischen, sondern auch für dich selbst. Zumindest, sofern du einer der Touristen bist, die mit ihrem “einzigartigen” Foto ganz besonders herausstechen wollen. Kein einfaches Unterfangen, denn an beliebten Touri-Hotspots ist sowieso schon jeder Grashalm abfotografiert worden.

Manch einer will sich nicht so recht damit abfinden und begibt sich auf der Suche nach dem perfekten Motiv in eine nicht ganz ungefährliche Lage. Im Hochland von Sri Lanka traute ich meinen Augen nicht, als ich auf der Mauer der Ella Bridge junge Frauen posieren sah, um das ideale Urlaubsfoto mit nach Hause zu nehmen. Ein Ausrutscher in ihren Alltagsschuhen und das Foto wäre das letzte gewesen.

Wahrscheinlich ist es die Sucht nach Aufmerksamkeit, die viele dazu treibt, sich in Gefahr zu begeben. Das Posieren an steilen Abhängen und Sprünge von Wasserfällen gehören ebenso zur Tagesordnung wie anspruchsvolle Bergtouren auf die höchsten Gipfel.

Viele Laien lassen sich durch die Posts in den sozialen Medien von ambitionierten Bergsportlern zum Nachmachen verleiten und überschätzen dabei oftmals ihre Fähigkeiten. Ausbaden müssen dies dann oftmals die Bergretter, die in Situationen gebracht werden, die sie gerne vermieden hätten.

Massentourismus vermeiden – 4 Lösungsansätze

Natürlich möchte ich nicht nur auf den naiven Lemmingen herumhacken, die wie Schwärme in die beliebtesten Orte dieser Welt pilgern, sich dort ohne jegliches Verantwortungsbewusstsein eine gute Zeit gönnen und wieder abschwirren. Das steht mir nicht zu, zumal ich nicht selten einer dieser Reisenden war.

Es war mir jedoch wichtig, dir zu verdeutlichen, dass der Übertourismus den Bergen übel mitspielt. Aber ich möchte diesen Blogbeitrag nicht abschließen, ohne dir ein paar sinnvolle Lösungsansätze aufzuzeigen. Vielleicht gerade deshalb, um meine bisherigen Fehltritte wieder gut zu machen.

1. Nachhaltiger Reisen

Bei gutem Wetter und tollen Wintersportbedingungen haben viele Orte im Alpenraum und den deutschen Mittelgebirgen große Probleme, den Andrang von Tagestouristen zu stemmen. Vor allem der Verkehr macht den Einheimischen schwer zu schaffen, sodass sie nicht selten lange Staus, viel Lärm, ungesunde Abgase und eine unüberschaubare Parkplatzsituation über sich ergehen lassen müssen.

Die Lösung für dieses Problem klingt ebenso einleuchtend wie einfach: Der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel. Das deutsche Bahnnetz ist sehr gut ausgebaut und gibt es mal kein Streckennetz, gleichen Busverbindungen diesen Missstand aus.

Solltest du bei der Anreise nicht auf deinen Pkw verzichten wollen, biete deine Fahrt bei der Mitfahrzentrale an. Dadurch teilst du dir die Spritkosten nicht nur mit deinem Mitfahrer, sondern sorgst für mindestens einen weiteren freien Parkplatz.

Vielleicht bekommst du auf der Fahrt sogar hilfreiche Tipps für deinen Trip. So ist es mir zum Beispiel ergangen, als ich rein zufällig einmal einen der Autoren des Buchs “Öffi Skitouren Nordtirol” von KOMPASS mit zum Allgäu Triathlon genommen habe. Das Buch steht längst im Regal und wird auch diesen Winter wieder herausgeholt werden.

buch-skitouren-tirol
Skitouren gehen auch ganz bequem mit den öffentlichen Verkehrsmittel, wie dieses Buch zeigt

2. Verantwortungsbewusster Umgang im Internet

Der Umgang im Internet hat große Auswirkungen auf den Übertourismus. Daher ist es wichtig, Inhalte ehrlich zu kommunizieren und keine Fake-News zu teilen. Wie sieht es vor Ort tatsächlich aus? Und: Ist der jeweilige Ort wirklich ein Geheimtipp oder quillt er längst vor Touristen über?

Bilder vom Pragser Wildsee beispielsweise vermitteln oftmals die pure Idylle. Dass einen Steinwurf entfernt jedoch eine riesige Hotelanlage hochgezogen wurde, der Parkplatz im Hintergrund überquillt und du vorher zwanzig Minuten warten musstest, um keine ungewollten Touristen vor die Linse zu bekommen, ist dann nebensächlich.

Sei beim Veröffentlichen von Inhalten authentisch und transparent. Schildere sowohl die positiven als auch die negativen Seiten, die du vor Ort erlebst. Deine Leser und Follower werden es dir danken. Spätestens dann, wenn sie erkennen, dass manch ein Influencer oder Blogger die jeweilige Situation zu blumig dargestellt hat, um die Likes und Seitenzugriffe nach oben zu treiben.

Und noch etwas: Musst du jeden Geheimtipp sofort verbloggen oder einen Post dazu in den sozialen Netzwerken veröffentlichen? Oder wäre es nicht auch mal schön, einen Ort zu genießen und irgendwann dahin zurückzukehren, ohne vorher die Werbetrommel dafür gerührt zu haben?

3. Touristische Maßnahmen vor Ort

Gewissenhafte Tourismusverbände und Politiker, die nicht die Dollarzeichen in den Augen haben, sondern nachhaltig denken, sind sich den Folgen des Übertourismus bewusst. Sie fokussieren sich darauf, die Natur zu erhalten, die Interessen der Einheimischen zu wahren und auf die Problematik, die der Massentourismus in den Bergen mit sich bringt, hinzuweisen.

Eine Zauberformel, um dem Massentourismus zu entgehen, gibt es nicht. Allerdings habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, durch welche Maßnahmen Touristen sensibilisiert werden könnten.

Touristen umlenken

Eine Idee ist es, den Touristen weitere Orte in der näheren Umgebung schmackhaft zu machen, indem diese beworben oder gar neue Highlights geschaffen werden: Die Region in den Vordergrund zu stellen, anstatt den Fokus auf einzelne Hotspots zu legen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die niederländische Hauptstadt Amsterdam, deren Verantwortliche Zandvoort und Bloemdaal zum “Amsterdam Beach” auserkoren haben. Die Folge: Die beiden Küstenorte gewinnen an Aufmerksamkeit und die Innenstadt Amsterdams wird aufgrund neuer Attraktionen außerhalb des Stadtgebiets entlastet.

Autofreie Sonntage

Die autofreien Sonntage sind ein Konstrukt aus der Vergangenheit. Das Ziel ist es, für ein geringeres Verkehrsaufkommen zu sorgen, den Einheimischen zumindest einen erholsamen Tag pro Woche zurückzugeben und Kurzurlauber dazu zu verleiten, aus einem Wochenend-Kurztrip ein verlängertes Wochenende zu machen.

An- und Abreisen könnten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen, sodass ein Bewusstsein für die nachhaltigere Form der Fortbewegung entsteht. Langfristig könnten dadurch zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Saas-Fee in der Schweiz. Der beliebte Wintersportort ist komplett autofrei, sodass nur die Parkplätze am Ortsrand genutzt werden können. Um in den Ortskern zu gelangen, gibt es Elektrotaxis.

Nachhaltigkeitssteuer auferlegen

Eine zusätzliche Nachhaltigkeitssteuer, die Touristen pro Aufenthaltstag berechnet wird, hält wahrscheinlich kaum jemanden vom Reisen und dem Besuch beliebter Tagesziele ab. Dennoch könnte das dadurch generierte Geld für nachhaltige Projekte eingesetzt werden.

Diese Projekte würden wiederum der Region zugutekommen. Vergleichbar wäre die Steuer mit der CO2-Kompensation, die es bereits bei einigen Flügen und Bahnfahrten gibt.

Aufklärung betreiben

Regionen, die mit Massentourismus zu kämpfen haben, sollten dies öffentlich kommunizieren. Nicht in einer Weise, in der Touristen abgeschreckt werden, sondern in der sie vielmehr für die Probleme vor Ort sensibilisiert werden.

Es gilt, Aufklärung zu betreiben, warum es beispielsweise wichtig ist,

  • ausgezeichnete Wege nicht zu verlassen,
  • seinen Müll mitzunehmen,
  • sein Auto nicht einfach irgendwo abzustellen
  • oder einfach mal zu Hause zu bleiben.

Lehrpfade, die auf die Folgen des Massentourismus, zum Beispiel die Zerstörung der Lebensräume für Tiere hinweisen, sind ein gutes Mittel, um das Verantwortungsbewusstsein von Bergreisenden und -sportlern zu steigern.

Es gilt, potenzielle Besucher nicht erst vor Ort auf Missstände hinzuweisen, sondern dies vorab auf den jeweiligen Websites und in den Infobroschüren zu tun. Klar aufgezeigt werden sollte, welche Maßnahmen ergriffen werden und wie Gäste unterstützen können.

Hotspots beschränken/schließen

Wie heißt es doch so schön: “Wer nicht hören will, muss fühlen.” Ok, ich gebe zu, dass die Maßnahme, Orte zu schließen, die vom Massentourismus betroffen sind, etwas hart, manchmal aber auch unumgänglich ist.

Ein Beispiel hierfür ist Maya Bay in Thailand – ein wahres Paradies und der Drehort des Kinohits “The Beach”. Innerhalb weniger Jahre war der Andrang biertrinkender Backpacker so groß, dass die paradiesische Bucht temporär geschlossen wurde.

Ganz so weit muss es nicht kommen, allerdings wäre es eine Überlegung wert, die Bettenzahl in stark frequentierten Orten zu begrenzen, um den Überblick zu behalten. Einerseits würde sich dadurch die Zahl der Touristen reduzieren, andererseits würde den Einheimischen wieder mehr und vor allem günstigerer Wohnraum zur Verfügung stehen.

Kürzlich erlebt: Die aus allen Nähten platzende Memminger Hütte

Vor einigen Wochen war ich sechs Tage auf dem Lechtaler Höhenweg unterwegs, einer spektakulären Höhentour in den Lechtaler Alpen. Mit der Memminger Hütte gab es jedoch eine Unterkunft, die aus allen Nähten platzte.

Auf vier kleinen Matratzen lagen fünf Personen. Zudem war der Duschbereich überschwemmt und beim Frühstück herrschte absolutes Chaos. Eine Begrenzung wäre hier definitiv angebracht gewesen, um den müden Wanderern mehr Komfort zu bieten.

4. Eigeninitiative und Verständnis zeigen

Die Politik sowie die hiesigen Tourismusbehörden zur alleinigen Verantwortung für den Übertourismus zu ziehen, wäre etwas übertrieben. Letztendlich ist es der Reisende selbst, der sich an die eigene Nase packen sollte, was das Reiseverhalten betrifft.

So solltest du vor einem Trip in die Berge recherchieren, wie es vor Ort tatsächlich aussieht. Frage beispielsweise bei deiner Unterkunft oder der Tourist-Info nach, bevor du dich von tollen Instagram-Fotos blenden lässt.

Kannst du auf einen ganz bestimmten Ort nicht verzichten, wähle als Zeitraum die Nebensaison. Machen sich dennoch erste Anzeichen breit, dass ein Ort völlig überfüllt ist, sei flexibel und suche dir ein neues Ziel in der näheren Umgebung.

Ansonsten solltest du bei deinen Reisen darauf achten, deinen verursachten Müll mitzunehmen, nur ausgeschilderte Routen zu gehen und die lokalen Anbieter anstatt große Konzerne zu unterstützen. Vor allem diese sind es, die durch ihre Medienwirksamkeit massenhaft Menschen anlocken.

Das Thema Nachhaltigkeit spielt für sie eher eine untergeordnete Rolle. Ein Paradebeispiel für den Egoismus und die Profitgier mancher Menschen sind die ständigen Erschließungen und Zusammenschlüsse neuer Skigebiete, die auch nicht vor Gletschern Halt machen.

Ein Plädoyer für weniger Egoismus in den Bergen

Mir war es wichtig, mich in diesem Blogbeitrag intensiv mit dem Übertourismus in den Bergen auseinanderzusetzen. Nicht nur, weil ich zahlreiche Hotspots auf dieser Welt aus purem – nennen wir es mal – Egoismus selbst aufgesucht habe, sondern auch, weil ich durch meinen Outdoorblog seit nunmehr dreizehn Jahren verschiedene Touren und Sehenswürdigkeiten anpreise, die jeder mal gemacht beziehungsweise besucht haben sollte.

Ich bekenne mich daher schuldig, auch wenn ich darauf achte, Missstände zu erwähnen und authentisch von meinen Reisen, dem Outdoorsport und sonstigen Abenteuern zu berichten. Dennoch habe ich mir vorgenommen, meine Reiseziele in Zukunft bewusster auszuwählen, mich nicht von der Masse leiten zu lassen und vermeintliche Geheimtipps nicht gleich im Internet zu streuen.

In Zukunft möchte ich mich außerdem noch mehr auf das Thema Nachhaltigkeit fokussieren, das beim Massentourismus keine unbedeutende Rolle spielt. Im Outdoorbereich gibt es diesbezüglich noch eine Menge Nachholbedarf und zahlreiche Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. Dabei muss nicht nur die Industrie in die Verantwortung gezogen werden, sondern jeder einzelne von uns, der gerne in den Bergen unterwegs ist. Also packen wir´s an!

Abschließend würde mich noch interessieren, wie du zum Übertourismus in den Bergen stehst. Welche Erfahrungen hast du gemacht? Welche Orte haben dich vielleicht sogar abgeschreckt? Welche Maßnahmen sind deiner Meinung nach vielversprechend, um den Massentourismus einzudämmen? Ich freue mich auf den Austausch mit dir.

13 Gedanken zu „Massentourismus in den Bergen: Ursachen, Folgen und ein Aufruf zu weniger Egoismus“

  1. Leute die Blogs wie diese lesen sind leider selten die gleichen, die gerade die Tourismusmagneten überrennen. Ich lebe an der Nordsee und es ist dieses Jahr noch schlimmer als letztes Jahr geworden. Als wäre die Übermenge der Menschen nicht schon schlimm genug, sorgt schlichte Statistik auch dafür daß unter den gestiegenen Menschenmengen auch mehr Drecksäue, Super-Egoisten oder sonstwie geartetes Assi-Volk zu finden sind. Allein der aus dem Fenster geworfene Müll an Ortsein-/ausgängen spricht schon Bände darüber, ganz zu schweigen von Müll auf den Deichen oder schlicht Vandalismus wie mutwillig zerstörte Bodenklappen der grünen Mülleimer.

    Corona hat zudem die Personaldecke extrem löchrig gemacht, die Leute haben gelernt daß man auch ohne den unattraktiv-unterbezahlten Saisonjob in der Gastronomie etc. auskommen kann und so gesellt sich zu den verstopften Straßen und übervölkerten Orten auch noch schleppender und völlig überlasteter Service, will man selbst mal etwas einkaufen bekommt man kaum einen Parkplatz, an manchen Tankstellen bilden sich ganztägig Schlangen so daß man besser in die nächste Kreisstadt dafür fährt… das hebt alles nicht gerade die Stimmung und wer unter den Anwohnern nicht vom Übertourismus profitiert hat ziemlich die Schnauze voll.

    Überfüllung erzeugt Aggressionen und darunter leiden dann leider auch die Leute, denen man das am wenigsten antun wollte: Stammgäste, Leute die sich tatsächlich für die spezielle Landschaft mit dem speziellen Klima interessieren (und nicht über den fehlenden Sandstrand meckern), Leute die nicht ihr Wohnmobil in Reisebusgröße auf dem Supermarktparkplatz stehen lassen um einen Stadtbummel zu machen, Leute die mit kleinem Gepäck, dem Fahrrad oder der Bahn anreisen… Übertourismus zerstört die Landschaft (hier wird alles zugebaut), den Charakter und den Charme einer Region, die Zufriedenheit der Einheimischen und die Gesundheit der benötigten Arbeitskräfte. Weiter entfernt von Nachhaltigkeit kann man Deutschlands Küsten nicht mehr sein.

    Antworten
    • Hallo Arno,

      dank dir vielmals für deinen ausführlichen Kommentar und deine Erfahrung, die du mit dem Übertourismus gemacht hast. Es ist natürlich traurig zu lesen, dass sich die Situation an der Nordsee nochmals verschlechtert hat. Dein Fazit, dass Deutschlands Küsten weiter entfernt von Nachhaltigkeit sind denn je, klingt hart, aber es ist natürlich etwas Wahres dran.

      Ich drücke die Daumen, dass in Zukunft wieder mehr Reisende mit kleinem Gepäck an die Nordsee kommen oder diejenigen, die auf großem Fuß leben, die Gegend zu schätzen wissen und sie auch so verlassen, wie sie sie vorgefunden haben. Einfach ein bisschen mehr Achtsamkeit – das ist es, was mir oft fehlt.

      Beste Grüße in den Norden,
      Daniel.

      Antworten
  2. Hallo Daniel,

    ich musste grade schmunzeln. Ich bekenne mich auch schuldig…
    Aber ich finde es sehr wichtig, das Bewusstsein zu schärfen und in Zukunft vermehrt auf deine Tipps zu achen.
    Lg Barbara

    Antworten
    • Hallo Barbara,

      erwischt. 😉 Dass Bewusstsein zu schärfen ist ein guter Punkt. Selbst, wenn sich jeder ein bisschen anpasst ist schon viel passiert.

      Viele Grüße, Daniel.

      Antworten
  3. danke für deinen Bericht,ein Beitrag zur Bewusstwerdung der Menschheit.ich lebe da wo andere Urlaub machen und habe am Ende des Sommers das Gefühl der Ort bricht auseinander..es herrscht eine furchtbare ,egoistische Energie…mein Oberstdorf..wie du schreibst,ich denke u.meine zu fühlen…jetzt hat der Ort u.dazugehörige Natur,ihren Zauber verloren.

    Antworten
    • Hallo Petra,

      dank dir vielmals für deinen Kommentar. Was du über dein Oberstdorf schreibst, klingt nicht wirklich gut. Ich hoffe, dass der Zauber bald wieder zurückkommt und die Energie wieder eine positivere wird. Es gibt ja zum Glück ein paar Stellschrauben, an denen gedreht werden könnte.

      Beste Grüße, Daniel .

      Antworten

Schreibe einen Kommentar