Dennis Hartke ist ein Reiseleiter der besonderen Art, denn er hat sich auf Abenteuerreisen zu Destinationen, wie zum Beispiel Grönland, Alaska und Kamtschatka, spezialisiert. Welche Herausforderungen die Touren mit sich bringen, wie sich das Reiseverhalten in den vergangenen Jahren entwickelt hat und wie du selbst Reiseleiter werden kannst, hat mir Dennis in einem spannenden Interview verraten.
Bei einem mehr als 2.000 Kilometer andauernden Roadtrip über die Yucatan-Halbinsel in Mexiko erzählte mir meine damalige Reisegefährtin Annette Jall von einem ihrer Reiseleiter-Kollegen namens Dennis Hartke, der bei Touren eher ungewöhnliche Ziele anvisiert. Dabei handelt es sich nicht etwa um normale Städtereisen oder das Abklappern diverser Sehenswürdigkeiten, sondern Abenteuerreisen, die es wirklich in sich haben.
Von faszinierenden Orten, wie Kamtschatka, Tadschikistan oder Grönland war ich sofort angetan, weshalb ich keine andere Wahl hatte, als Dennis mit ein paar Fragen zu löchern. Dabei erzählte er mir nicht nur von den alltäglichen Herausforderungen als Expeditions- und Reiseleiter oder welche besondere Beziehung er zum hohen Norden pflegt. Er verriet mir auch sein größtes Fettnäpfchen und wie ihn seine Reisen an teils entlegene Orte geprägt haben.
15 Fragen an Reiseleiter Dennis Hartke
Rucksackträger: 1. Mit welchen drei Hashtags würdest du dich und das, was du tust, am ehesten beschreiben?
Dennis: #geborenfürdennorden, #meinleben, #frieden
2. Wie kamst du auf die Idee Reiseleiter für Abenteuerreisen zu werden und in welchen Ländern übst du deinen Job aus?
Die Idee kam spontan auf einer Islandreise im Jahr 2009. Damals war ich selbst Reisender, suchte nach einer Idee für meinen weiteren Lebensweg und kam aus einer schwierigen Jobsituation. Ich arbeitete als Lagerarbeiter, Pizzabäcker, Callcenter Agent und spielte in einer Band. Doch all das hatte kaum Perspektive.
Durch Zufall lernte ich eine Reiseleiterin kennen und war so begeistert von diesem Beruf, dass ich spontan entschied, dies auch zu werden. Dies geschah vor zehn Jahren. Heute bin ich Reiseleiter und Expeditionsleiter in Grönland, Alaska, Kamtschatka und Spitzbergen. Zudem leite ich Studienreisen in Irland sowie Frankreich und war kürzlich auf einer Expedition in Tadschikistan.
3. Was sind die größten Herausforderungen als Reiseleiter in Orten wie Grönland, Kamtschatka und Alaska? Reiseleiter ist ja nicht gleich Reiseleiter, oder?
Um die Touren optimal zu leiten, lernen wir nicht nur am Schreibtisch Jahreszahlen auswendig. Manchmal trainieren wir auch monatelang für unsere Kondition und Muskelkraft. Diese macht am Ende aber nur zehn Prozent deiner Leistung vor Ort aus.
90 Prozent spielt sich im Kopf ab. In solchen Gebieten ist mentale Stärke gefragt. Die Kontrolle über sich und die Gruppe zu behalten und Entscheidungen zu treffen, selbst wenn sie falsch sind, gehören zu den wichtigsten Aufgaben.
Die buddhistische Ruhe in einem selbst ist die größte Herausforderung. Egal, wie hart eine Situation ist, man muss ruhig bleiben und einen Plan haben. Wenn man keinen hat, dann entwickelt man eben einen.
Neben mentaler Stärke ist Optimismus die zweite Eigenschaft. Alles ist positiv und wenn nicht, dann wird es eben positiv. Aufgeben, sich hängen lassen oder nicht für die Leute da zu sein, sind keine Optionen.
4. Wer ist die Zielgruppe bei deinen Abenteuerreisen? Sind es die topfitten Outdoor-Freaks oder eher Abenteuer-Neulinge, die an die Hand genommen werden wollen?
Theoretisch kann dort “jeder” auftauchen. Das bedeutet, es sind Sportler wie auch normale Urlauber. Unser Reiseformat beinhaltet nicht nur die Extreme, sondern auch Begegnungen mit Einheimischen, Entspannung und einfache Bewegung. Von 18 bis 80 Jahren ist jede Altersgruppe schon vertreten gewesen.
5. Wie organisiert ihr euch bei euren Reisen und wie läuft die Verständigung, zum Beispiel bei den Inuit in Grönland, ab?
Jede Destination hat ein Team oder Basecamp im Hintergrund. Auf Grönland gibt es zum Beispiel ein Basecamp, in Kamtschatka und auf Spitzbergen kommt ein Team mit.
Nur in Alaska bin ich auf mich selber gestellt. Aber selbst dort gibt es Ranger und Ansprechpartner. Ohne Team geht vor Ort nicht vorwärts. Alles läuft über genaue Absprachen und wir kommunizieren per Satellitentelefon miteinander.
6. Welches Land hat dich bisher ganz besonders beeindruckt – ganz egal, ob als Reiseleiter oder privat? Was war der Grund dafür?
Grönland war der Anfang von allem für mich. Dort bin ich “erwachsen” geworden, habe den tieferen Sinn meiner Existenz und der Welt für mich und meine Auffassung verstanden. Demnach ist Grönland immer noch meine Nummer Eins, auch wenn Alaska und Irland dicht dahinter folgen.
Diese Länder beinhalten einfach eine ganz andere Atmosphäre, Moral und natürlich auch Natur als Deutschland. Es ist die brachiale Natur, die gewaltige Leere, die Stärke und Härte in der Landschaft – die raue Lebensweise bestimmt von Grundbedürfnissen.
Nichts ist dort nebensächlicher, als alles was man in Städten findet. Deshalb ist es für mich immer die beste Region dieser Erde. Der Norden halt…
7. Gibt es einen Ort, wo dich keine zehn Pferde mehr hinkriegen?
Ach da gibt es viele, ohne nun konkret zu werden. Mein Interesse begrenzt sich tatsächlich auf wenige Länder, auch wenn Reiseleitern nachgesagt wird, dass sie alle Länder toll finden. Ich habe auch schon ausprobiert, andere Länder zu mögen. Aber sobald ich dort bin, vermisse ich den Norden.
8. Welche Destination, die du bisher noch nicht bereist hast, steht ganz oben auf deiner Liste?
Ich war tatsächlich noch nie in Kanada. Demnach steht dieses Land ganz oben auf der Liste. Gefolgt von Chile und Hawaii. Dann wird die Liste schon relativ dünn.
9. Was ist dein wichtigstes Hilfsmittel, wenn du unterwegs bist? Worauf willst du nur ungern verzichten?
Eigentlich habe ich immer alles, was ich brauche, dabei. Man lernt sehr minimalistisch zu leben. Es sind eher Dinge, die man nach längerer Zeit in der Wildnis vermisst, wie zum Beispiel eine Cola oder ein Gericht vom Asia-Restaurant. Das kann manchmal echt hart sein.
10. Was war das größte Fettnäpfchen, in das du bisher auf deinen Reisen getreten bist?
Wir haben auf Island mal privat, spontan und unwissend in einem Gebiet wild gecampt. Natürlich kam ein Ranger und verwies uns zu einem offiziellen Campingplatz. Ich versuchte ihn zu überreden, bleiben zu dürfen und fragte, ob es nicht eine Ausnahme gäbe, wenn wir uns als Guides outen. Da meinte er, dass dies ja noch viel schlimmer sei. Er notierte sich unser Nummernschild, wollte unsere Telefonnummern, usw. Das war wirklich unüberlegt.
11. Wie hast du dich persönlich in den vergangenen Jahren durch all die Reisen und deine Tätigkeit als Reiseleiter entwickelt?
Ich glaube, dass ich viel ruhiger und gewissenhafter geworden bin, als zuvor. Mich schockt nicht mehr so vieles.
Meine Gedanken sind viel kontrollierter, als die Jahre zuvor. In mir hat sich eine sichere Ruhe ausgebreitet, die mich viele (für manche) stressige Situationen einfacher bewältigen lässt.
Da ich seit 2016 auch Ausbilder für Reiseleiter bin und ebenso einen Job als Autor angenommen habe, merke ich, wie tief die Erfahrungen, Grenzgänge und Erlebnisse in mir verankert sind. Ich kann inzwischen aus zehn Jahren Reiseleitung und hunderten Reisen schöpfen, was sehr viel mehr Wert hat, als irgendetwas Materielles.
12. Wie hat sich das Reisen in der Natur und an exotische Orte in den vergangenen Jahren verändert? Gibt es bestimmte Trends, die sich abzeichnen – Stichwort Nachhaltigkeit und Overtourism?
Das Interesse an der Natur und an Aktivreisen hat sich seit den 90ern versiebenfacht. Immer mehr Menschen wollen in die Natur. Das hat an manchen Orten zur Folge, dass immer mehr Menschen auftauchen, was natürlich auch gut für meinen Job ist. Auf der anderen Seite hinterlassen Menschen auch vieles, was nicht an diese Orte hingehört.
Wir haben die Möglichkeit in unserem Job das Land und Zusammenhänge zu erklären und somit die Nachhaltigkeit vor der Verschwendung zu platzieren. Mit dieser Philosophie arbeiten wir auch für die jeweiligen Reiseveranstalter.
Nachhaltigkeit ist heute eine große Angelegenheit. Der Tourismus ist mittlerweile einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren vieler Länder und Regionen. Als Reiseleiter können wir Reisende vor Ort nachhaltig bewegen, jedoch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger.
Es geht immer noch um Frieden und Freude. Zu sagen, dass es keinen Plastikmüll in der Natur gibt oder dass sich etwas klimatisch verändert zu leugnen, ist genauso falsch, wie zu behaupten, dass wir alle dem Aussterben nahe sind. Jede extreme Richtung lehne ich ab. Es kommt immer darauf an, “wie” ich es dem Menschen näherbringe.
13. Du bist nicht nur Reiseleiter, du bildest sie selbst auch aus. Welche Anforderungen werden an sie gestellt? Welche Tipps gibst du angehenden Reiseleitern?
Die Ausbildungen werden in Deutschland, Spanien und jetzt auch auf Irland durch den Veranstalter Travel To Life angeboten. Es gibt kaum Anforderungen, weil es ein freies Ausbildungsseminar ist. Man sollte Menschen mögen und sich seiner Aufgabe als Dienstleister bewusst sein. Der Rest ergibt sich beim Seminar.
Wichtig finde ich, dass man sich einfach traut den Job zu beginnen. Viele bringen Bedenken mit, dass sie nicht genug Hintergrundwissen hätten oder Beschwerden nicht richtig behandeln könnten. Das sind alles Dinge, die man während der Arbeit lernt.
Reiseleitung ist etwas, was wächst. Mit jeder Reise weiß man mehr, mit jeder Gruppe lernt man die Reisenden/Menschen besser kennen und kann nach einer Weile jede Art von Beschwerde oder Frage bedienen und behandeln.
14. Warum sollten meine Leser unbedingt mal eine Tour mit dir buchen?
Nun, sie kommen dadurch an Orte, wovon andere nur träumen. Sie erleben Momente der Unvergesslichkeit. Wer den wahren Norden kennenlernen will, der sollte mal mitkommen.
15. Wo finden meine Leser weitere Infos über dich? Gibt es noch etwas, das du zum Abschluss unbedingt loswerden willst?
Du findest mich unter meinem Namen oder Dennis Hartke Reiseleiter auf Facebook, Instagram oder einfach über Google. Für Reisen und Ausbildungen findest du mich unter www.traveltolife.de oder bei Veranstaltern wie Trails Natur und Erlebnisreisen, Highländer Aktiv Reisen und auch beim Trescher Verlag als Autor für den “Alaska Reiseführer”.
Die Welt ist bunt und so sind ihre Menschen. Hört niemals auf zu Reisen. Reisen erweitert nicht nur den Horizont, es schafft noch viel mehr. Dadurch, dass wir uns begegnen, werden Brücken erbaut und ein Verständnis geschafft. Würden mehr Menschen reisen, würden Vorurteile und alles weitere abgebaut werden. Dies produziert Frieden. Reisen schafft Frieden.
Wie steht´s um deine erste/nächste Abenteuerreise?
Als ich die Antworten von Dennis Hartke zum ersten Mal durchlas, spielten sich sofort verschiedene Szenarien in einem plötzlich erscheinenden Kopfkino ab. Sofort kamen mir unendliche Weiten, Schneemassen und klirrende Kälte in den Sinn. Keinesfalls abschreckend, sondern vielmehr eine Abenteuerlust, gemischt mit einer großen Portion Neugier, die sich in mir breitmachte.
Es gibt einfach noch so viele spannende Reiseziele auf dieser Welt. Noch besser, wenn es Reiseleiter wie Dennis gibt, die ihre Passion ausleben und Abenteuerhungrige an die Hand nehmen, um ihnen außergewöhnliche Destinationen fernab des Massentourismus vorzustellen.
Das Interview mit Dennis hat mir jedenfalls große Freude bereitet. Ich bin mir sicher, dass auch du einige gute Informationen daraus ziehen konntest und es deine Abenteuerlust gesteigert hat. Vielleicht bist du aber auch drauf und dran selbst Reiseleiter zu werden.
So oder so, wende dich bei Fragen gerne jederzeit an Dennis oder hinterlasse einen Kommentar, den ich dann gerne weiterleite.
Bildquelle: Dennis Hartke