Vor knapp drei Monaten habe ich mir einen Rollentrainer besorgt, um indoor fleißig Radkilometer zu sammeln und meine über den Sommer und Herbst erarbeitete Fitness auf dem Rad über die kalte Jahreszeit beizubehalten. Warum ich dann aber doch nur 355 Kilometer auf der Rolle abstrampelte und das smarte Trainingsgerät in der Ecke verstaubte, verrate ich dir in diesem Beitrag.
Bereits im vergangenen Jahr wollte ich mir unbedingt einen Rollentrainer zulegen, um auch bei eisigen Temperaturen in die Pedalen zu treten. Dabei wollte ich nicht auf ein Ergometer zurückgreifen, sondern mein eigenes Rennrad verwenden. Die Lösung: Ein Rollentrainer, mit dem das Training mit wenigen Kniffen nach innen verlegt werden kann. Das Problem: Zum damaligen Zeitpunkt waren alle Rollentrainer ausverkauft.
In diesem Winter konnte ich jedoch einen Wahoo Kickr Snap ergattern. Nicht direkt als Kauf, sondern für drei Monate zur Miete mit anschließender Kaufoption. Ich wollte den Rollentrainer unbedingt testen und wissen, wie es sich anfühlt, den Hinterreifen meines Rennrads in den Indoor-Trainer einzuspannen und die Wattzahlen nach oben zu pushen.
Nicht nur das – ich meldete mich nach meiner Jungfernfahrt direkt bei Zwift an, um mich auf der Plattform mit Radfahrern aus aller Welt virtuell zu messen und auf meinem Bildschirm Strecken durch Watopia, Innsbruck oder den Central Park in New York abzufahren. Ein großer Spaß und das perfekte Set-up, um von meinem Büro aus ganz bequem an meiner Ausdauer zu feilen.
Was gegen das Training auf der Rolle spricht
Die Euphorie auf der Rolle zu trainieren hielt allerdings nicht allzu lange an. Die Vorfreude und die Motivation waren bei jeder Einheit auf meinem eingeklemmten Rennrad recht groß, sofern es draußen in Strömen regnete oder der Boden mit Schnee bedeckt war. Doch mit einigen Gegebenheiten, die das Indoor Cycling mit sich bringt, wollte ich mich nicht so recht anfreunden.
Geringe Flexibilität durch Reifenwechsel
Beim Wahoo Kickr Snap wird das Hinterrad in den Rollentrainer eingespannt. Der Aufwand ist ziemlich gering, weshalb du sofort losradeln kannst. Das Problem ist nur, dass sich deine gewöhnlichen Reifen recht schnell abnutzen oder das Profil keinen guten Kontakt zur Rolle herstellt. Die Lösung ist daher ein spezieller Indoor-Reifen, der für weniger Verschleiß sorgt und zudem die Laufgeräusche eindämmt.
Der spezielle Reifen sorgt nicht nur für zusätzliche Kosten, sondern auch für weniger Flexibilität beim Training. Bei herrlichem Wetter musst du zuerst den Mantel wechseln, um an der frischen Luft deine Runden zu drehen. Das dauert seine Zeit. Zudem läufst du Gefahr, den Schlauch zu beschädigen und bei der Fahrt einen Plattfuß zu erleiden.
Klingt wie eine Waschmaschine
Da ich zur Miete wohne, war es mir bei der Suche nach einem geeigneten Rollentrainer besonders wichtig, ein möglichst ruhiges und dennoch nicht zu teures Produkt zu finden. Nach einigen Recherchen entschied ich mich für den Wahoo Kickr Snap, da dieser als eines der leiseren Modelle im mittleren Preissegment angepriesen wurde.
Bei meinen Zwift-Touren bergauf waren somit tatsächlich nur das Schalten, meine Kette und wahrscheinlich auch mein lautes Schnaufen zu hören. Auf der Geraden und bergab, also bei geringem Rollwiderstand und ordentlichem Tempo, glich mein Indoor-Trainer vielmehr einer Waschmaschine im Schleudergang mit 1.600 Umdrehungen. Zwar hielt sich der Geräuschpegel in Grenzen, allerdings war mir – und vermutlich auch meinen Nachbarn – mein Sportgerät über einen längeren Zeitraum deutlich zu laut.
Noch höhere Bildschirmzeit
Mein Set-up zum “Zwiften” baute ich mir stets an meinem höhenverstellbaren Schreibtisch auf. So konnte ich direkt auf einen meiner beiden Bildschirme schauen, meine Mitfahrer und Konkurrenten bei Zwift im Auge behalten und trotzdem nebenbei ein motivierendes Video schauen.
An und für sich eine gute Sache – aber: Da ich beruflich sehr viel Zeit vor dem Bildschirm verbringe und ich den Sport normalerweise dafür nutze, um genau diesem zu entfliehen, verringerte sich die Motivation, das Radtraining auf Zwift zu absolvieren, von Kilometer zu Kilometer. Das Verlangen nach draußen zu gehen war einfach zu groß.
Saunaähnliche Zustände
Beim Indoor Cycling ist es wichtig für eine gute Lüftungsanlage oder zumindest einen Ventilator, den du direkt vor dir aufstellst, zu sorgen. Die Luftfeuchtigkeit steigt nämlich recht schnell an. In meinem als Pain Cave umfunktionierten Büro stieg sie gar um mehr als zwanzig Prozent. Das hatte bei ungeöffneten Fenstern fast schon die Ausmaße eines Dampfbads.
Ok, der Vergleich mag etwas überspitzt sein, aber anders als beim Training unter freiem Himmel ist die Schweißproduktion in den eigenen vier Wänden um ein Vielfaches höher. Daher verbrauchte ich – ähnlich wie in der Sauna – stets zwei Handtücher pro “Ausfahrt”. Eines diente dem Auffangen des Schweißes, ein anderes zum Abtupfen meiner auf Hochtouren arbeitenden Poren. Hinzu kam ein völlig durchnässtes Trainingsoutfit, sodass nach jedem Training ein Waschgang fällig war.
Fehlendes Techniktraining
Zwift ermöglicht dir ein relativ realistisches Fahrvergnügen. Bergauf und bergab passt sich der Rollwiderstand an das Streckenprofil an. Ohne vorausschauendes Schalten verbrauchst du nur unnötig Kraft, sodass sich hier ein gewisser Trainingseffekt hinsichtlich der Technik zeigt.
Auf weiteres Techniktraining wirst du auf dem Rollentrainer jedoch verzichten müssen. Verschiedene Untergründe, wechselnde Wetterbedingungen, unerwartete Hindernisse, rasante Abfahrten oder scharfe Kurven lassen sich auf der Rolle nicht simulieren, sodass die Kombi aus Wahoo Kickr Snap und Rollentrainer eine Fahrt in freier Natur nicht ersetzen kann.
Drang zu all-out
Der Sport ist ein gutes Ventil, um Luft aus dem stressigen Alltag zu lassen. Neben dem Laufen klappt dies beim Rennradfahren besonders gut. Ich radele vor mich hin, genieße die Natur und verfalle fast schon in einen meditativen Zustand, während ich so in die Pedalen trete. Auf Zwift ist es etwas anders, denn hier ist die Anzahl topmotivierter Radsportler, die mich zum schnelleren Fahren triggern, enorm. Die Folge: Wenn ich nicht Vollgas gebe, werde ich ständig überholt und bleibe auf der Strecke.
Daher sind die Radeinheiten auf Zwift nur selten ein Genuss. Zu groß ist der Druck mich profilieren zu müssen. Wer lässt sich schon gerne abhängen? Ich nicht, weshalb es bei meinen Einheiten regelmäßig vorkam, dass ich heftiger als gewollt pedalierte und aus nahezu jedem Rollentraining ein kleiner Wettkampf wurde. Immer all-out zu gehen macht auch keinen Spaß.
Zu Hause radeln kostet Geld
Abgesehen von der Anschaffung eines Rennrads kostet das Radfahren in freier Natur keinen Cent. Anders beim Indoor Cycling, schließlich benötigst du neben dem Rennrad noch einen Rollentrainer und eine App. Willst du dann noch das perfekte virtuelle Erlebnis, musst du auf kostenpflichtige Anbieter, wie zum Beispiel Zwift, zurückgreifen.
Auf das Jahr hochgerechnet wären dies bei meinem Set-up ungefähr 520 Euro für die Anschaffung des Wahoo Kickr Snap inklusive Indoor-Reifen plus 180 Euro für das Zwift-Abo gewesen – macht insgesamt 700 Euro für das erste Jahr. Für diesen Preis bekommst du durchaus auch eine wintertaugliche Ausrüstung, die dich draußen trocken und warm hält. Oder du investierst das gesparte Geld in die Trainingsverpflegung für Sommertouren. Wie wäre es zum Beispiel mit 90 Portionen Käsespätzle?
Das sind die Vorteile vom Indoor Cycling
Es ist gewiss nicht mein Ziel, dich vom Indoor Cycling abzuhalten. Auch ich hatte gute Gründe, mich (zumindest testweise) mit einem Rollentrainer auszustatten und mit Gleichgesinnten virtuelle Welten zu durchstreifen. Und ja, ich habe die Zeit auf meinem Rennrad durchaus genossen.
Zehn positive Aspekte sind es, die bei mir hängengeblieben sind und die ich dir kurz vorstellen möchte:
- Du kannst dein eigenes Rennrad verwenden, das bereits auf dich eingestellt ist.
- Schlechtes Wetter ist keine Ausrede mehr, um nicht fleißig deine Radkilometer abzuspulen.
- Safety first! Beim Indoor Cycling triffst du weder auf rücksichtslose Autofahrer, noch musst du dir um eigene Fahrfehler Sorgen machen.
- Das Training mit Zwift macht einfach Spaß, zumal du eine große Auswahl an Strecken hast, dir andere Radfahrer sogenannte “Ride Ons” zur Motivation geben und du deinen Avatar mit neuem Material ausstatten kannst.
- Du musst nicht alleine trainieren, sondern kannst dich zu sogenannten Group Rides verabreden und in Trainingsgruppen die unterschiedlichen Strecken absolvieren.
- Das Zusammenspiel von Zwift und dem Wahoo Kickr Snap funktioniert reibungslos, sodass sich die Rollwiderstände perfekt an das Streckenprofil anpassen.
- Die Synchronisation von Zwift oder der Wahoo-App mit deiner Garmin-Uhr oder Strava ist schnell eingerichtet und sorgt dafür, dass deine Trainingserfolge auch auf anderen Plattformen einsehbar sind.
- Speziell zur Vorbereitung auf bestimmte Wettkämpfe bieten sich die integrierten FTP-Tests oder der Blick auf die Wattzahlen an. So kannst du dein Training auf ein bestimmtes Ziel ausrichten und wirst mit den nötigen Daten versorgt.
Mich zieht´s raus aufs Rad – und dich?
Die Vor- und Nachteile der letzten drei Monate, in denen ich den Wahoo Kickr Snap sowie Zwift getestet habe, kennst du nun also. Mein Fazit ist, dass die Kombination aus beiden sehr gut funktioniert, es mich beim Training dann aber doch eher nach draußen zieht. Ich friere lieber als vor dem Bildschirm vor mich hinzugaren.
Das heißt nicht, dass Indoor Cycling für dich keine Option ist. Ganz im Gegenteil, denn gerade für ein spezifisches Training ist das Set-up, bestehend aus Rollentrainer und einer Plattform für virtuelles Training, perfekt geeignet. Empfehlen würde ich dir jedoch einen extra Indoor-Reifen sowie eine Antivibrationsmatte, die es zum Beispiel im Baumarkt gibt. Dadurch minimierst du die Lautstärke, sofern du nicht sowieso in den Keller flüchten willst.
Rollentrainer und Zwift liegen aktuell voll im Trend, was nicht bedeutet auf den Zug aufspringen zu müssen. Vielleicht kannst du bei einem Bekannten mal eine Proberunde drehen. Mittlerweile gibt es auch einige Anbieter, die unterschiedliche Rollentrainer für ein bis drei Monate zum Testen anbieten. Bringt dir Indoor Cycling keinen Mehrwert, schickst du das Trainingsgerät wieder zurück. Willst du es behalten, werden die Abo-Gebühren verrechnet.
Ich freue mich jedenfalls auf den kühlen Fahrtwind, eine (sich) bewegende Landschaft und den ein oder anderen realen Bekannten, den ich unterwegs treffe. Sollte das Radtraining aufgrund eisiger Temperaturen doch zu kurz kommen, verziehe ich mich zum Radeln einfach ins Fitnessstudio, schnalle die Langlauf-Ski an oder schnüre die Trailrunning-Schuhe. Aber wer weiß: Vielleicht verschlägt es mich ja irgendwann doch wieder nach Watopia & Co.
2 Gedanken zu „Rollentrainer und Zwift im Test: Klasse Kombi, aber auf Dauer (erstmal) nichts für mich“