Fortaleza: Irgendwo zwischen purer Erholung und absolutem Chaos

Nach 3 Tagen kehren wir der Küstenstadt Fortaleza den Rücken, weshalb wir uns gerade im Nachtbus nach Joao Pessoa befinden. Eine gute Gelegenheit, um wieder mal ein bisschen in die Tasten zu hauen und Euch mit neuen Inhalten zu füttern.

Während wir die erste Nacht im Hotel verbracht haben, zogen wir einen Tag später in unsere plänmäßige Unterkunft, einer Art Wohngemeinschaft mit Australiern und weiteren Deutschen, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt lagen. Hier hatten wir endlich die Möglichkeit unsere Ausrüstung neu zu sortieren und vor allem unsere Kleider zu waschen, welche auf Grund der hohen Temperaturen und massiven Schwitzattacken eigentlich gefühlte fünf Mal pro Tag gewechselt werden müssten.

Fußballtrikots waschen
Eine Wäscheladung Fußballtrikots

Sowohl die Beachfront als auch das FIFA Fan Fest waren gleich um die Ecke, weshalb kulturelle Tagestrips diesmal schnell in den Hintergrund rückten. Laut meinem Reiseführer scheint der Strand sowieso das absolute Highlight der Stadt gewesen zu sein. Alles in allem eine Stadt, die sich primär um Badeurlauber bemüht, was an der großen Anzahl von oftmals prunkvollen Hochhäusern entlang der Küste zu erkennen ist, welche zugleich die visuelle Grenze zwischen arm und reich bilden.

Da das Thermometer tagsüber nur selten unter 30° Grad anzeigte war man nahezu gezwungen sich in regelmäßigen Abständen im kühlen Nass zu erfrischen. Ein kleiner Strandlauf war zwar morgens um 8 Uhr möglich, wurde aber binnen weniger Minuten zu einer wahren Tortur. Fitnessfreaks kommen in Brasilien übrigens voll auf ihre Kosten, da es hier viele kleine Stationen gibt, an denen man zum Beispiel Klimmzüge oder Sit-Ups machen kann. Klasse Sache!

Praia de Iracema
Der Strandabschnitt Praia de Iracema in Fortaleza

Anders als noch in Salvador, wo beim Fan Fest lediglich die Spiele der Selecao übertragen wurden, konnte man sich in Fortaleza sämtliche Spiele bequem vom Strand aus auf der überdimensionalen Leinwand am Strand anschauen. Definitiv ein sehr schönes Rahmenprogramm der FIFA, welches auch schon bei der Weltmeisterschaft in Südafrika dankend von den Fans angenommen wurde.

Leider gjbt es aber auch einige Aspekte, die uns beim zweiten Vorrundenspiel gegen Ghana erneut ziemlich übel aufgestoßen sind und die FIFA in kein gutes Licht rücken, nämlich…

1. Ticketvergabe
Wie auch schon bei der Begegnung gegen Portugal in Salvador saßen wir nicht, wie erhofft, im deutschen Fanblock, sondern gegenüber, also im gegnerischen Bereich beziehungsweise bei den Einheimischen. Warum ist mir unerklärlich, zumal wir vergangenen November “Follow your Team“-Tickets für Deutschland geordert hatten. Das Fanzine Helmut, das vor den einzelnen Begegnungen von der deutschen Fanbotschaft herausgegeben wird, hat das Thema in der vergangenen Ausgabe treffend geschildert:

... während des Spiels war es wirklich schwierig Stimmung zu machen, so versetzt wie die ganzen deutschen Fans saßen. Das liegt ganz eindeutig auch am Kartenverteilsystem der FIFA, das wir nicht wirklich verstehen. Es ist spektakulär unlogisch. Klar, die wollen in erster Linie Geld verdienen, doch auch das Unternehmen FIFA müsste schon aus Marketinggründen ein Interesse haben, dass während der Spiele eine richtig gute Fußballstimmung aufkommt, …“

2. Chaos vor den Stadien
Wer pünktlich im Stadion ankommen möchte, der sollte ausreichend Zeit einplanen, was unter anderem am Verkehrschaos in Brasiliens  Metropolen liegt. Doch auch an den Stadien selbst herrscht das Chaos. Nicht nur, dass Beschilderungen hinsichtlich der Blockzugänge fehlen. Auch das Anstehen am Eingang dauert sehr lange, zumal die FIFA auf Scanner zugreift, die es in der Regel bei Kontrollen auf Flughäfen gibt. Dass die Euphorie durch die Verzögerungen erheblich leidet, versteht sich von selbst.

3. Probleme im Stadion
Es kommt uns so vor, als sei die Stimmung im Stadion sehr angespannt und teilweise sogar aggressiv. Ob das an der suboptimalen Sitzplatzvergabe oder dem zu betreibenden Aufwand, bis man überhaupt erstmal sitzt, liegt, sei dahingestellt. Fakt ist, dass es bei beiden Spielen der DFB-Elf zu vereinzelten Schlägereien im Block der Einheimischen kam, was ich bisher bei keinem meiner bisherigen Stadionbesuche erlebt habe.

Auch der Ausschank im Stadion erfordert sehr viel Geduld, da unter anderem jedes einzelne Bier von der Dose in einen Becher gefüllt werden muss und Brasilien einen chronischen Mangel an Wechselgeld zu haben scheint, obwohl hier die FIFA in der Pflicht steht. Doch den Höhepunkt gab es beim Spiel gegen Ghana als Ordner plötzlich sämtliche Flaggen und Banner der Fans einsammelten, was fortwährende “FIFA raus“-Fangesänge zur Folge hatte. Manchmal hat es den Anschein als hätte dieser reiche Fußballverband selbst gar keine Lust auf diese Weltmeisterschaft.

Castelao Fortaleza
Glühende Hitze im Stadion von Fortaleza vor dem Anpfiff

Trotz allen Unannehmlichkeiten an den Spieltagen ist das, was hier passiert, einfach fantastisch. Wie auch schon bei der ersten Partie in Salvador war der diesmal sehr lange Weg zum Stadion, bei dem sich die Einheimischen als Fahrradtaxifahrer anboten, von bester Stimmung begleitet, die auf dem Rückweg sogar noch getoppt werden konnte. So wurde die circa ein Kilometer lange Straße, ähnlich wie bei einem Marathon, abgetrennt und wir von am Rand stehenden Brasilianern gefeiert – als wären wir diejenigen gewesen, die sich die 90 Minuten zuvor über den Platz gequält hatten. Ein toller Moment.

Auch medial waren wir in dieser Woche wieder erfolgreich unterwegs. So wurden Sebastian und ich, nachdem wir uns zu später Stunde ein Beachsoccer-Spiel angeschaut hatten, von einer Reporterin eines brasilianischen Fernsehsenders gebeten,deren Nationalhymne zu singen. Der Text wurde uns zwar vorgesprochen, allerdings weder richtig noch in der originalen Melodie von uns wiedergegeben. Also drehten wir den Spieß um, sangen inbrünstig unsere heimische Hymne, welche die Reporterin im Anschluss wiederholen sollte, was für beide Parteien äußerst amüsant war.

Praia de Iracema bei Nacht
Abendspaziergang am Atlantik

In den kommenden Tagen werden wir in Joao Pessoa, einer der grünsten Städte der Welt, ein bisschen entspannen und uns die Umgebung anschauen, bevor es dann weiter nach Recife geht, wo die Nationalmannschaft gegen Klinsis US-Boys antreten wird. Wir hoffen schwer auf den Gruppensieg, zumal wir uns Tickets für das Viertelfinale in Rio de Janeiro ergattern konnten. Ein großes Dankeschön hierbei an den Schweizer Simon.

Also drückt uns bitte die Daumen, damit wir am 4. Juli auch tatsächlich unsere Elf im berüchtigten Maracana-Stadion anfeuern können und viele Grüße aus Brasilien.

4 Gedanken zu „Fortaleza: Irgendwo zwischen purer Erholung und absolutem Chaos“

  1. Ein Rasierapparat wäre für Euch auch mal angebracht!
    Heute Abend mal kräftig anfeuern(vorher nicht ins Meer Haialarm).
    Servus Onkelsche+Tante Evi.

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